Familiengeschichte 1700-1990
1700-1761
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation bestand anfang des 18-en Jahrhunderts aus mehr als 200 Territorialherrschaften. Herrschern von Raubritter bis zum Kurfürsten. Die Stadt Mühlburg gehörte zu der Markgrafschaft Baden-Durlach . 1715 zählte die Stadt 521 Einwohner. In dieser Zeit lebte in Mühlburg die Familie von Martin Wittmann (*1672+1732). Im Jahr 1720 nach einer schwierige Krankheit starb im Alter von 43 Jahren seine Frau Margaretha *1677.
Mit der zweite Frau Anna hatte Martin*1672 drei Kinder – Georg Heinrich *1722, Johann Martin *1725 und Johann Wendel *1728.
Am 19.06.1753 heiratet Martin Wittmann *1725 in Hochstetten (Kreis Karlsruhe) die Barbara Kinz *1716.Sie hatten zwei Kinder- Martin *1755 und Juliana *1757.
1761-1764
1761 rief der dänische König Friedrich V. die Deutschen aus Süddeutschland nach Dänemark zur Kultivierung der Heiden- und Moorengebiete auf der Schleswigschen Geest. Mit der Aussicht auf ein eigenes Stück Land, ein eigenes Haus folgten diesem Ruf mehrere Familien aus Baden- Durlach (Otto Clausen) . Unter ihnen waren auch die Familien von den Brüdern Martin ( *1725) und Wendel (*1729) Wiedmann (Wittmann). Der Sammelplatz für die Ausreise war Frankfurt am Main. Auf eigene Kosten traten sie ab Frankfurt die beschwerliche Reise mit Karren und Planwagen nach Altona bei Hamburg an. Am 25.04.1761 erreichten sie Altona und gelangen von dort nach Schleswig. Am 24.07.1761 leisteten Martin und Wendel Wittmann in Gottorf den Eid auf den dänische König. Bei der Verlosung der Hofstellen erhielt er in der Kolonie Friedrichsfeld bei Hollingstedt die Hofstelle Nr. 16, den "Victors Hof". Wendel bekommt in der gleiche Kolonie die Hofstelle Nr.7 - "Fleisig". Diese Hofstellen existieren noch heute. (1)
Die Lebensumstände der Familie Wittmann, so wie für allen Kolonisten in Dänemark, waren äußerst schwierig.
Wendel war einer von den Ersten, der schon im Herbst 1762 auf seinem Feld erntet (Otto Clausen). Im Protokoll der Besichtigung von 1762 steht. „Hier ist noch nichts gepflügt, endschuldigt sich, das er das Land noch ebenen müsse, dann wole er mit jemand in Gesellschaft treten und Pflügen. Im Garten stehen Kartoffeln, ein Baum hat 4 Schöne Äpfel.“ Nach der Überprüfung im Frühjahr 1764 ist er als guter Arbeiter eingestuft worden. Er besitzt den Hof bis November 1765, dann wanderte er nach Russland aus. Im Sommer 1766 ist er in der Wolgakolonie Reinwald eingetroffen.
Martin war nach der Überprüfung im Mai 1764 als „nicht tauglich“ eingestuft worden. Ihm wurde der Hof weggenommen. 22.07.1763 wurde das Manifest der Zarin Katharina der Großen veröffentlicht. Diesem Ruf folgten hunderte Kolonisten aus Dänemark. Im April 1764 meldete Martin sich bei dem Minister vom Russischen Hof Herr Musin-Puschkin in Hamburg (Idt & Rauschenbach: „Einige Kapitel aus der Geschichte des Kolonisationsprojekts on Katharina 2. 1763-1775. S. 74). Im Landesarchiv Schleswig-Holstein gibt es Zwei Briefe von Martin Wittmann an seinen Bruder Wendel. Der erste Brief, den er zusammen mit Heinrich Linden (Kolonist aus Friedrichsfeld) am 04.06.1764 schrieb kommt aus Hamburg. Der zweite Brief schrieb er am 25.06.1764 aus Lübeck. Anfang Juli 1764 wanderte Martin Wittmann mit seiner Frau Maria Barbara (*1716) und Kinder Martin (*1754) und Julianna (*1757) mit einem Schiff unter dem Kommando von Skipper Jürgen Darlin nach Russland aus.
Werbebrief von Martin Wittmann an seinen Bruder Wendel (Otto Clausen).
1764-1775
Die Reise von Lübeck bis Kronstadt (St. Petersburg) dauerte in der Regel 6-10 Tagen. Von Kronstadt wurde die Fam. von Martin Wittmann (*1725) nach Oranienbaum gebracht. Hier leisteten die Kolonisten den Eid der russische Zarin Katharina der Große. Aus den Kolonisten sind mehrere Gruppen (Transport) zum Weiterreisen nach Saratov gebildet worden. Der Transport unter dem Kommando von Leutnant Lamberus, dem auch Martin Wittmann angehörte, machte sich im späten Herbst auf den Weg nach Saratov. Sie mussten unterwegs überwintern und sind erst im Frühjahr 1765 an der Wolga angekommen. In den Listen der ersten Kolonisten, die in den Jahren 1764-1767 im Wolgagebiet in der Nähe von Saratov angesiedelt wurden ist die Familie von Martin Wittmann nicht aufgelistet. Es hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Listen der Kolonie Grimm, in der er angesiedelt worden, ist nicht vollständig erhalten sind. Bekannt ist, dass die Witwe Barbara Wittmann (*1716) im Jahr 1775 mit Heinrich Günther Thomsen (*1734) verheiratet war. Deswegen ist es nicht bekannt wann und wo genau Martin Wittmann verstorben ist, wahrscheinlich zwischen 1764-1775.
1775 -1852
In Saratov wurde die Familie Wittmann in die Kolonie Grimm (2) angesiedelt. Grimm, russische Name Lesnoi-Karamysch, liegt auf der bergseite von der Wolga, am gleichnamige Fluß Lesnoi-Karamysch. Das Dorf hatte eine deutsche Schule, evangelische Kirche. Die Bevölkerung beschäftigte sich haupsächlich mit Landwirtschaft und den herstellen von Stiefeln und Rauchpfeifen. In der Kolonie Grimm lebten fünf Generationen der Familie Wittmann.
Der Kinderreichtum im Grimm führte dazu das die Zahl der Bevölkerung von 179 im Jahr 1767 auf 4500 im Jahr 1857 gestiegen ist. Viele Einwohner mußten sich ein neues Land suchen.In den Jahren 1847-1864 enstanden viele Tochter Kolonien an der Wolga.
1852-1865
1852 ist Johann Conrad Wittmann (*1808) mit Familie nach Rosenberg umgezogen. 1852 sind die Brüder Johann Georg (*1823) und Georg Philip (*1825) Wittmann - Söhne von Johann Georg Wittmann (*1795) - nach Oberdorf umgezogen. 1865 ist Heinrich Wittmann (*1843) mit seiner Frau Katharina geb. Bauer (*1843) und Sohn Joachim Andreas (*1864) nach Gnadenthau umgezogen.
1865-1906
Gnadenthau war eine Tochterkolonie, die etwa 1860 östlich von der Wolga (Wiesenseite) gegründet wurde. Sie lag in der Steppe, relativ weit von der Wolga und noch weiter von Saratov entfernt. Am Dorf fließ der Fluss Jeruslan vorbei. So heißt in den letzten Jahren auch die ehemalige deutsche Kolonie –Werchnij Jeruslan.
Gnadenthau war zwar keine bevölkerungsreiche Siedlung aber durchaus belebt und galt unter den umliegenden deutschen Dörfern als Zentralsiedlung. In den 1880er Jahren funktionierte hier ein Evangelische Gemeindebethaus, das etwa 9000 im Umkreis wohnende Gemeindemitglieder vereinigte. (3)
Heinrich (*1843) und Katharina (*1843) Wittmann haben sich im Gnadenthau gut eingelebt. Sie hatten zusammen 15 Kindern.
Heinrich starb im Jahr 1893. Katharina lebte die letzten Jahren bei der Tochter Eva Katharina (*1885) in Brunnental. Sie starb in den 1920er Jahren.
Am 27.12.1901 schliessen Jakob Wittmann *13.03.1878 (das neunte Kind von Heinrich *1843 und Katharina Wittmann) und Katharina Margaretha Ebel *07.09.1880 in dieser Kirche die Ehe. Hier sind auch ihre Kindern Emmanuel *1902 , Heinrich *1905 und Amalia *1906 getauft worden.
1905 erworb die Familie Wittmann eine Bibel, die heute noch in ihren Besitz ist. In den gleichen Jahr wird die erste Eintragung von Christian Wittmann (*1869) gemacht.
1906-1932
Der Zuwachs der Bevölkerung im Gnadenthau und die Art der Bodenbennutzung - das gesamte Gemeindeland wurde alle 7 bis 12 Jahren auf die männlichen Nachkommen unter den Familien verteilt – führte es zu Landmangel und Übersiedlungen nach Amerika, Sibirien und Kasachstan.
1906 machten sich drei Geschwister ( Kinder von Heinrich*1843 und Katharina *1843) der Familie Wittmann –Anna Elisabeth (*1883) mit Mann Alexander Reisig (*1869), Jakob (*1878) mit Frau Katharina Margaretha geb. Ebel *1880 und Maria Katharina (*1879) mit Mann Heinrich Reisig (*1879) auf den Weg nach Kasachstan. Die Muter Katharina segnete ihre Kindern und gab ihnen die Familienbibel mit auf den Weg.
Ihr mehrere Monaten dauerte Zug Richtung Kasachstan führte sie über das Orenburgische Land bis zu endgiltige Niederlassung im Gebiet Akmolinsk.
Der neue Ort hieß Konurtjube. Er liegt im Tal des Flusses Scherubai-Nura 40 km Süd-West von der Stadt Karaganda. Die Einwohner nannten ihn Gnadenreich (die meisten stammen aus den Kolonien Gnadenthau und Frankreich an der Wolga). Ofiziel hatte der Ort den Namen Dolinka am 10 Dezember 1909 bekommen. . In eine kurze Zeit ist Gnadenreich ein großes Dorf geworden. Die Leute beschäftigen sich hauptsächlich mit Landwirtschaft. Es gab 3 Mühlen und eine Ölmühle. Von 1931 bis 1959 war in Dolinka die Verwaltung von Karlag. Bis Ende der 1990er Jahren war das Betreten von Dolinka nur mit eine Sondergenehmigung erlaubt. Diese Siedlung- Karlag Hauptstadt – gennant war mit Draht umgeben. Es gibt heute noch ein Gefängnis an Stelle der früheren Karlag-Baracken .
Die Familie von Jakob und Katharina Margaretha Wittmann lebten im Gnadenreich (Dolinka) 25 Jahren. In diese kurze Zeit haben sie den Aufbau von Gnadenreich, den ersten Weltkrieg, die Oktober Revolution, den Bürgerkrieg, die Hungerjahren, die Kolektivisierung und Entkulaktisierung miterlebt. Jakob und Margaretha hatten zusammen 8 Kinder.
Zwischen 1908-1913 sind viele Nachkommen von Johann Georg *1795 und Johannes *1803 Wittmann nach Amerika ausgewandert.
1932-1938
Im Jahr 1931 wurde ein Lager für politische Gefange – Karlag – Im Dolinka aufgebaut. Das Dorf wurde komplett an den Fluss Nura bei Tokarevka Gebiet Karaganda umgesiedelt. Das Dorf hatte den Name Nowodolinka (Kolchos im. Thälmann) bekommen. Aber hier durften sie nicht lange bleiben. 1938 auf der Stelle des neuen Dorfes ist ein Staudamm ( Samarkandskoje Wodochranilische) gebaut worden. Es musste man wieder umzien...
Dieses mal wurde ein Platz ausgewält in der nähe der Stadt Akmola. Hier ist das neue Dorf gegründet worden mit dem alten Namen Nowodolinka. Mehr als ein Jahr dauerte der Umzug. Mit den ersten Einwohner sind auch Jakob und Margaretha Wittmann mit ihrem gesamten Besitz und Kindern umgezogen. Sie bauten zuerst den Stall und dann das Haus. Es war schwer – keine Baumaterialien- mit Lehm und Stroh ist gebaut worden, das Holz musste von weit weg geholt werden.
1938-1946
Zum Anfang des zweiten Weltkrieges wohnten in Novodolinka schon an die 300 Familien und hatte sich als Kolchose schon weit entwickelt. Kolchos das war ein landwirtschaftliche Betrieb der genossenschaftlich organisiert war. Die Entlohnung erfolgte nach "Arbeitstage" (Trudodenj). Je nach dem wie viel Arbeitstage man schaffte, soviel Striche trug man in der Liste des Arbeiters ein. Am Ende des Jahres wurde die erwirtschaftete Geld und Lebensmittelbestände der Kolchose zum zweck der Entlohnung umgelegt.
Die Kriegszeit war für die Familie Wittmann, wie auch für alle Russlanddeutsche, eine sehr schwierige Zeit. Die Männer zwischen 15 und 60 Jahren mussten in die „ Trudarmee“- Arbeitsarmee-, wo sie wie Staatsfeinde und Vaterlandsverräter behandelt wurden. Die Familie Wittmann hatte es auch betroffen. Gottfried (*1919) war vor dem Krieg in die Rote Armee eingezogen worden, kamm in deutsche Gefangenschaft und dann als vermist gemeldet. Heinrich (*1905) war von 1942 bis 1947 in der Trudarmee in Tula, Russland. Alexander (*1909) war von 1945 bis 1947 in der Trudarmee in Aktjubinsk. Jakob (*1921) von 1942 bis 1946 in Swerdlowsk, Russland. Emilia (*1911) musste 10 Jahren lang allein mit ihre 7 Kindern zurechtkommen. Ihr Mann Alexander Schmidt (*1907) war von 1942 bis 1951 in der Trudamee.
Am 28.08.1941 erließ die Sowjetregierung einen Ukas über die Aussiedlung der Deutschen aus dem Wolgagebiet. Die Nachkommen von Johann Andreas*1864 und Geoorg Heinrich *1866, die in diese Zeit in Gnadentau lebten, wurde nach Sibirien, Gebiet Krasnojarsk - Kemskoje depotiert.
1946-1954
Zwischen 1945-1952 war die Familie Wittmann, wie auch alle Russlanddeutsche, einer strengen Aufsicht der Organe der Staatssicherheit- Spezkomendatur – unterstellt. Die Pässe wurden weggenommen, das Dorf zu verlasen war verboten, alle Erwachsene
mussten sich regelmäßig in der Komendatur melden.
1954-1961
Am 10.06 1952 im Alter von 74 Jahren verstarb Jakob Wittmann *1878. 1957 bekommt Margaretha Wittmann eine Nachricht aus Deutschland, das ihr vermiste Sohn Gottfried (*1919) lebt und wohnte in München. Am 18.12.1960 , im Alter von 80 Jahren, starb Katharina Margaretha Wittmann *1880 (geb. Ebel).
1961-1990
1961 Ist der Kolchos Thälmann in Sowchos Nowodolinskij umstrukturiert worden. Sowchos, das waren staatliche Landwirtschaftlichebetriebe in denen die Arbeiter ein Geldlohn bekommen. Die 1960-70 er Jahren kann man als wirtschaftliche Wachstum in Nowodolinka bezeichnen. In dieser Zeit entstanden neue Strassen, ein Schule, ein Krankenhaus. Es wurde eine Mechanisierung der Landarbeiten durchgeführt. Die schweren Arbeiten auf den Feldern und in der Viezucht wurden von Traktoren und Maschinen erledigt. In dieser Zeit hat sich der allgemeine Wohlstand der Bevölkerung verbessert. Auch Familie Wittmann hat ihre Häuser umgebaut und den Kindern eine schulische und berufliche Ausbildung ermöglicht.
1977 besuchten Roswitha , die Tochter von Gottfried Wittmann *1919, mit ihren Mann Dr. Roland Schmid aus Östereich die Familie Wittmann in Nowodolinka.
Die 1980er waren in Nowodolinka die Jahren der ständigen Veränderungen. Nach jedem Machtwechsel in der staatliche Führung hatte sich das Leben in der Sowchose verändert. Nach dem Zerfall 1991 der Sowjetunion ist auch in Kasachstan die politische und wirtschaftliche Krise eingetroffen. In den folgenden Jahren wurde der Sowchos Nowodolinskiji aufgelöst. In der Sowjetunion ist die Reisefreiheit eingeführt worden. Schon ende 1989 sind die erste Einwohner von Nowodolinka in die BRD ausgereist.
In den 1990er sind die meisten Mitklieder der Familie Wittmann nach Deutschland ausgereist.
Bemerkung
(1) http://www.plaggenhacke.de/
(2) http://forum.wolgadeutsche.net/viewforum.php?f=105
(3) http://wolgadeutsche.net/kirche/_Gnadentau.htm